Stephan Siegrist

Profi Alpinist

Cerro Standhardt: Die erfolgreiche Triologie der Winterbegehungen

Mit den Winterbegehungen von Cerro Torre, Torre Egger und Cerro Standhardt im Alpinstil geht für mich ein Traum in Erfüllung.

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Montag den 30. Juli steigen wir bei noch unsicherem Wetter ins Bridwell Camp. Wir starten nur aufgrund der Wetterinfos von Karl Gabl. Patagonien hat sich in den letzten Jahren in dieser Beziehung stark verändert. Heute können Bergsteiger Wetterinfos einholen welche ihnen erlauben auch kürzere Schönwetterfenster für eine Besteigung zu nutzen.Am Dienstag dem 31. Juli starten wir in den frühen Morgenstunden in Richtung Nipo Nino Lager am Fusse des El Mocho.

Dort hatten wir vor ein paar Tagen bereits Klettermaterial zurück gelassen. Beim damaligen Versuch hatte uns ein Sturm noch bevor wir den Wandfuss erreichten zurück ins Tal getrieben. Mit noch mehr Material beladen stiegen wir mit Ski weiter bis zur ersten Steilstufe in Richtung Cerro Standhardt. Das Wetter ist noch alles andere als gut.Weiter oben spuren wir teilweise Knietief im Schnee. Die vorangegangenen Schlechtwettertage hatten viel Neuschnee gebracht, den der Wind ungemütlich verfrachtete.

In den Col Standhardt mussten wir uns einige Seillängen gegenseitig wegen der Lawinengefahr sichern. So brauchten wir schon in den Col wesentlich mehr Zeit als im Sommer oder bei guten Verhältnissen. Wir alle drei kannten unsere geplante Route die Exocet, bereits von vorangegangenen Begehungen.Nun folgte die erste Seillänge im Fels. Die Wand war jedoch komplett vereist, so dass Ralf bereits voll gefordert ist. Eine Stunde vor dem Einnachten erreichen wir eine Seillänge später unseren geplanten guten Biwakplatz auf der Rampe (Zu dieser Jahreszeit hat man in Patagonien nur etwa 9 Stunden Tageslicht).

Am Mittwoch dem 01.08. kriechen wir nach einer windigen Nacht aus unseren Schlafsäcken. Die folgenden, sonst sehr leichten Seillängen bis zum Einstieg in den Eisschlauch unserer Route sind leider alles andere als gemütlich. Unverfestigter "Griesschnee" auf glatten Grantiplatten, teilweise eingeblasen und wieder Lawinengefährdet. So müssen wir uns auch hier jede Seillänge sichern. Wir brauchen deutlich mehr Zeit als geplant. Nun aber startet das Herzstück der Route.

Der nahezu senkrechte Eisschlauch windet sich in sechs Seillängen bis knapp unter den Gipfel. Der letzte sehr warme und trockene Sommer hatte viele Eisrouten in Patagonien ausapern lassen. Da wir diesen Teil der Route von unten nicht einsehen konnten, wussten wir nicht ob überhaupt Eis im Kanal sein würde. Ich starte mit der ersten Seillänge. Oben angekommen sind wir heilfroh. Die Eisspur zieht sich bis oben durch.

Die nächste Seillänge führt Thomas, dann ist Ralf wieder an der Reihe. Was gibt es besseres als mit seinen zwei besten Freunden im Gebirge unterwegs zu sein. Thomas wie auch Ralf sind zwei exzellente Bergsteiger. Thomas verdient seinen Lebensunterhalt inzwischen von der Bergfotografie. Die nächsten drei Seillängen übernehme ich wieder.Das Eis ist nicht nur sehr dünn und spröde, sondern vor allem auch extrem hart von den tiefen Temperaturen. Somit ist es eine kräftige Angelegenheit zum klettern.Nun folgt normalerweise eine Felsseillänge. Aber auch diese ist durch angeklebten Schnee und Eis viel schwieriger und Zeitaufwändiger als normal.

Mit einem Gemisch aus Mixed- und Felskletterei führt Ralf diese 30 Meter souverän.Es folgen noch 100 Meter einfaches Gelände bevor wir unter dem Gipfeleispilz stehen. Ich nehme mich diesen letzten Metern im Abendlicht an. Mit den letzten Sonnenstrahlen kommen wir um 18:30 Uhr auf dem Gipfel an. Zur gleichen Zeit taucht auf der anderen Seite der Vollmond auf. Ein unglaublicher Anblick!

Wieder am 1. August, auf den Tag zwei Jahre nachdem Thomas und ich auf dem Gipfel des Torres Eggers standen. Wir geniesssen den Moment umso mehr, als dass der Tag viel anspruchsvoller war als wir erwartet hatten.Wir hatten noch für einen weiteren Tag Essen sowie technisches Material mit auf den Standhardt geschleppt. Bei guten Bedingungen wollten wir noch die nicht so bekannte Punta Herron versuchen zu besteigen. Nun da wir schon einmal in der Nähe sind. Ralf und ich kletterten diese bereits einmal im Sommer. Noch nie aber stand jemand im Winter auf diesem Gipfel.

Wir können die Nordwand über welche der Anstieg auf den Herron verläuft, von unserem Standpunkt gut einsehen.Vom letzten Sturm ist die Felskletterei aber voller angeklebtem haltlosen Rimeice. Für uns ist sofort klar, dass unter diesen Bedingungen der Herron für uns nicht möglich ist. So seilen wir den Gipfelpilz ab und hacken uns wenige Meter darunter einen Biwakplatz in das Eis.

Diese Arbeit gibt uns warm und verkürzte die lange Nacht. Es soll für uns die wohl eindrücklichste Biwaknacht werden, welche wir je hatten. Auf dem Körperbreiten Sims, liegen wir der Länge nach hinter einander. Unter uns der Abgrund mit Blick auf den Gletscher im Tal, dass ganze beleuchtet von einem unwirklichen Vollmond.Bereits am nächsten Morgen blässt der Wind stark obwohl es eigentlich der beste Tag des Wetterfensters sein soll. Dafür erleichtert es uns den Entscheid mit der Punta Herron nochmals. Mit diesem Wind würden wir uns auf der exponierten Nordkante kaum bewegen. Nun folgt die lange Abseilfahrt und der noch viel längere Marsch zurück ins Bridwell Camp. Müde aber glücklich und schwer beladen erreichen wir am 3. August die Zivilisation.